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Die Spielzeug-Trümmerbahn von Herta N. aus Berlin
© Stadtmuseum Berlin

Spielzeug-Trümmerbahn (1946)

Objekt des Monats September 2020

Das Objekt des Monats September ist eine Spielzeug-Trümmerbahn. Sie erinnert an die Zerstörungskraft von Kriegen und erzählt vom Nachkriegsalltag einer Berliner Familie. Aus Anlass des Internationalen Tags des Friedens am 21. September stellen wir Ihnen dieses Objekt aus der Spielzeugsammlung des Stadtmuseums Berlin vor.
 
Auf den ersten Blick wirkt die Bahn unscheinbar. Eine kleine, schwarze Lokomotive mit drei braunen Güterwagen zum Kippen, so genannten Loren. Insgesamt gerade einmal 25 Zentimeter lang und auf einfache Weise aus Weißblech gefertigt, wie selbstgebaut. Der Hersteller ist unbekannt. Ein beiliegender Zettel, geschrieben von Herta N., gibt jedoch Aufschluss darüber, warum die Bahn erworben wurde: „Spielzeug ‚Trümmerbähnle‘ gekauft zur Erinnerung 1946 für meine Söhne.“ Doch weshalb schenkte Herta N. ihren Söhnen ausgerechnet eine Trümmerbahn?

Das verwüstete Berlin und seine Trümmerfrauen
Die Luftangriffe, Sprengungen und Straßenkämpfe des Zweiten Weltkriegs verwandelten Berlin in eine Trümmerlandschaft. Bei Kriegsende waren viele Gebäude, Straßen und Brücken zerstört, Wohnungen unbewohnbar. Die U-Bahn-Tunnel standen teilweise unter Wasser. Nach der Kapitulation des nationalsozialistischen Regimes begann das große Aufräumen. 75 Millionen Kubikmeter Schutt mussten beseitigt werden.

Trümmerbahn in der Warschauer Straße
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Eva Kemlein
Im Sommer 1945 wurden alle arbeitsfähigen Frauen zwischen 15 und 50 Jahren sowie alle Männer zwischen 14 und 65 Jahren zum Beseitigen der Trümmer verpflichtet. Diejenigen, die sich nicht beim Arbeitsamt meldeten, um bei der Trümmerentsorgung mitzuhelfen, wurde die Lebensmittelkarte entzogen. Doch die Verpflichtung zur Hilfsarbeit im Baugewerbe bot auch die Möglichkeit ein wenig Geld zu verdienen. Besonders Frauen hatten es in der Wirtschaftskrise der unmittelbaren Nachkriegszeit schwer, einen Arbeitsplatz zu finden. So beteiligten sich auch Herta N. und ihr damals 17-jähriger Sohn Klaus an der Trümmerbeseitigung.

Die Arbeit war hart. Oft fehlte das Arbeitsmaterial. Ziegel, Steine und andere Materialien der zerstörten Häuser, die für den Wiederaufbau wiederverwendet werden sollten, mussten mühselig mit dem Hammer vom Mörtel befreit werden. Oft durch eine Menschenkette von Hand zu Hand weitergeben, wurden sie auf Loren verladen. Über provisorisch verlegte Schienen fuhren die sogenannten Trümmerbahnen den Schutt zu Zwischen- oder Endlagern. Viele Baufirmen hatten Klein- oder Feldbahnen in ihrem Fuhrpark, und so waren diese für die Trümmerbeseitigung verfügbar. Darüber hinaus wurden auch Pferdewagen, LKWs,  Arbeitswagen der BVG und andere Fahrzeuge zum Abtransportieren der Trümmer genutzt.

Erinnerungen und Mahnung
Für Herta N. und ihre Familie gehörte  die Trümmerbahn nach dem Krieg zum Alltag. Sie lebten in einer teilweise ausgebrannten Dachgeschosswohnung in der Lothringer Straße (heute Torstraße). Beim Blick aus dem Fenster konnten sie die Trümmerbahn auf der Straße fahren sehen. Die Schienen führten die Bahn in der Mitte der Lothringer Straße zum Endlager im Volkspark Friedrichshain und zu den Kahnkippen am Schiffbauerdamm oder in der Burgstraße.

Damit war die kleine Trümmerbahn für Herta N. und ihre Familie eine Erinnerung an eine schwere Zeit, die mit harter körperlicher Arbeit, Existenznot aber auch mit Hoffnung und Neubeginn verbunden war. Für die heute in Berlin lebenden Menschen kann sie eine Mahnung sein, wie zerstörerisch Kriege sind, wie viel Elend sie mit sich bringen und wie sie sich in persönliche Lebensgeschichten einbrennen.