Panzer als Symbol

Nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands zeugten tausende von Panzerwracks überall in Berlin vom Schrecken und der Sinnlosigkeit des Krieges. Bald darauf wurden Panzer zum Symbol des Sieges und der Stärke. Doch auch dies sollte sich bald wieder ändern.

von Heiko Noack
Zerstörter russischer Panzer T-72 vor der Botschaft der Russischen Föderation Unter den Linden als Mahnmal zum ersten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine, 24. Februar 2023
OTFW, Berlin (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Denkmal_Unter_den_Linden_63_(Mitte)_T72.jpg), „Denkmal Unter den Linden 63 (Mitte) T72“, Bildausschnitt von Stadtmuseum Berlin, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Panzer hatten und haben neben ihrer militärischen Bedeutung immer auch eine symbolische. Welche das war, wandelte sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder. Wie, das stellen wir an drei ausgewählten Panzer-Denkmälern aus Berlin und Umgebung vor.

Sowjetisches Ehrenmal (Tiergarten)

Straße des 17. Juni

Das neu errichtete sowjetische Ehrenmal nahe dem zerstörten Reichstag, Winter 1945
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Cecil F. S. Newman
Das Sowjetische Ehrenmal im Berliner Tiergarten  war das erste auf deutschem Boden. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde es an der Charlottenburger Chaussee (heute Straße des 17. Juni) errichtet, einer sowjetischen Enklave im britischen Sektor der unter alliierte Verwaltung gestellten Stadt. Als Standort wurde eine symbolträchtige Stelle gewählt – nahe dem Reichstagsgebäude im Zentrum der Hauptstadt, um das in der Schlacht um Berlin erbittert gekämpft worden war. Das Ehrenmal war das westlichste in einer Kette von Ehrenmalen, die den Vormarsch der 1. Weißrussischen Front der Roten Armee von Küstrin (heute Kostrzyn nad Odrą, Polen) über Seelow nach Berlin nachzeichneten.

Die Bauarbeiten begannen im Juli 1945. Schon am 11. November desselben Jahres wurde das Ehrenmal als sichtbares Symbol des Sieges der Roten Armee über das nationalsozialistische Deutschland eingeweiht. Zugleich erinnerte es an die rund 80.000 Angehörigen der Roten Armee, die bei der Schlacht um Berlin ums Leben gekommen waren. Rund 2.500 von ihnen wurden auf dem Gelände des Ehrenmals beigesetzt. Zur Einweihung hielten die alliierten Streitkräfte vor dem Ehrenmal eine gemeinsame Militärparade ab.

In West-Berlin und der Bundesrepublik war das symbolisch aufgeladene Ehrenmal umstritten. Immer wieder stand es im Mittelpunkt antikommunistischer Proteste – etwa während des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 in der DDR. In westdeutscher Literatur und Politik wurde es als „drohender Vorposten des Ostens im Herzen der deutschen Hauptstadt“ beschrieben, als „demütigendes Siegerdenkmal im freien Teil der Stadt“.  Nach dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 wurden zusätzliche Sicherungsmaßnahmen ergriffen, um das Ehrenmal zu schützen. Ein Stacheldrahtzaun wurde gezogen, neben sowjetischen sicherten vorübergehend auch britische Soldaten die Anlage.

Sowjetische Soldaten vor dem von Panzern flankierten sowjetischen Ehrenmal an der Charlottenburger Chaussee (heute Straße des 17. Juni), 1946
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Cecil F. S. Newman
Am 7. November 1970, dem 53. Jahrestag der sowjetischen Oktoberrevolution, wählte der West-Berliner Neonazi Ekkehard Weil den symbolischen Ort für einen Anschlag. Mit einem Kleinkalibergewehr schoss er auf das Ehrenmal und verletzte den sowjetischen Wachsoldaten Iwan Stscherbak lebensgefährlich. Auf Befehl des britischen Stadtkommandanten wurde der Gehweg vor dem Ehrenmal daraufhin für den Fußverkehr gesperrt und im gegenüberliegenden Tiergarten eine blick- und schusssichere Blende angebracht. Erst im Zuge der Entspannungspolitik zwischen Ost und West wurde der Straßenabschnitt vor dem Ehrenmal am 27. April 1987 wieder für die Öffentlichkeit freigegeben.

Nach dem Fall der Berliner Mauer und der deutschen Wiedervereinigung kam das Ehrenmal in die Obhut des Berliner Senats. Mit dem deutsch-sowjetischen Abkommen vom 16. Dezember 1992 verpflichtete sich das wiedervereinigte Deutschland dauerhaft dazu, das Ehrenmal zu schützen und erhalten. Die Diskussionen um seine Erhaltung waren damit jedoch nicht beendet.

Kinder vor den Panzern des sowjetischen Ehrenmals an Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor, um 1958
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Herbert Maschke
Nach der Annexion der Krim durch Russland 2014 und dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 geriet das Ehrenmal erneut in die Kritik. Angesichts der Bilder aus dem Kriegsgebiet seien die Panzer – nun als kriegerisches Symbol russischer Großmachts-Fantasien interpretiert – problematisch. Auch in den Medien wurde diskutiert, ob das Denkmal in seiner historischen Form angesichts aktueller Geschehnisse noch zeitgemäß sei. Fachleute aus Geschichtsforschung und Denkmalpflege lehnten die Forderung, die Panzer zu entfernen, jedoch ab. Sie rieten zu einem differenzierten Umgang mit dem Ehrenmal, der seine Bedeutung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkriegs würdigt und zugleich den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine reflektiert.

Panzerdenkmal Checkpoint Bravo

Kleinmachnow (Zehlendorf)

Auch das Panzerdenkmal am ehemaligen Grenz-Kontrollpunkt „Checkpoint Bravo“, nur rund 100 Meter von der heutigen Autobahn A 115 entfernt, wurde nicht zufällig an diesem Ort errichtet. Hier bei Kleinmachnow schloss sich am – oder kurz nach dem – 25. April 1945 der Belagerungsring der Roten Armee um Berlin. Ein erstes Panzer-Denkmal war gleich nach dem Krieg im nahegelegenen Zehlendorf errichtet worden. Auf einem mit Steinplatten verkleideten Sockel stand dort ein schwerer Panzer vom Typ Josef Stalin II. Durch seine Lage in West-Berlin wurde er jedoch schnell zur Zielscheibe für antikommunistischen Protest und Anschläge, sodass das Denkmal zunächst durch einen Drahtzaun geschützt und schließlich abgebaut wurde.

Stattdessen wurde in Kleinmachnow 1954 ein neues Denkmal errichtet und am 7. Oktober 1955 eingeweiht. Beim Bau des DDR-Grenzübergangs Drewitz wurde es 1969 nochmals umgesetzt und so aufgestellt, dass Transit-Reisende es sehen konnten, ja sehen mussten, wenn sie West-Berlin erreichten oder verließen – ein weithin sichtbares Symbol für die Stärke und das Selbstbewusstsein der Sowjetunion.
Sowjetisches Panzer-Ehrenmal in Zehlendorf, Potsdamer Chausee, 1950er Jahre
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Irm Kreisel

Nach dem Mauerfall 1989 änderte sich das Erscheinungsbild des Denkmals rasch. Die inzwischen von Graffiti überzogene Mauer bekam Lücken. Der Panzer auf dem Denkmal dahinter war zeitweise mit weißen Luftballons geschmückt, vielleicht als Symbol für die Hoffnung auf Frieden. Der Turm mit der Kanone war nun nicht mehr auf West-Berlin gerichtet, sondern nach links auf den ehemaligen DDR-Grenzkontrollpunkt geschwenkt. Die deutsche Wiedervereinigung 1990 leitete das Ende für das Ehrenmal ein. Die Rote Armee entfernte den Panzer von seinem Sockel und überführte in zurück in die Sowjetunion.

Sockel des ehemaligen Panzerdenkmals mit Rad-Schneelader, 2013
Lichterfelder (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schneelader.jpg), „Schneelader“, Ausschnitt von Stadtmuseum Berlin, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode
Für das Denkmal bedeutete dies jedoch nicht das Ende, sondern den Beginn eines neuen Kapitels. Anstelle des Panzers ließ der Berliner Künstler Eckhard Haisch 1992 eine rosa lackierte Schneefräse sowjetischer Herkunft auf den Denkmalsockel setzen. Das Fahrzeug hatte zuvor dem Winterdienst am Grenzübergang Drewitz gedient und war von den abziehenden Sowjets zurückgelassen worden. Am Standort des ehemaligen Ehrenmals steht es seither als ziviles Symbol für die friedliche Revolution von 1989.

Panzerwrack russische Botschaft

Unter den Linden

Im Frühjahr 2023 sorgte eine Kunst- und Protest-Aktion in Berlin für Aufmerksamkeit: Am letzten Februar-Wochenende wurde direkt vor der russischen Botschaft Unter den Linden das Wrack eines zerstörten russischen Panzers vom Typ-72 aufgestellt. Die Aktion fand am Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022 statt und verband künstlerischen Ausdruck mit politischem Protest.

In verschiedenen Städten der Ukraine waren schon seit Beginn des Krieges zerstörte russische Panzer zur Schau gestellt worden, später auch in Polen und anderen Ländern des östlichen Mitteleuropas. Die Berliner Installation sollte symbolisch auf die Brutalität des Angriffskriegs hinweisen und Solidarität mit der Ukraine ausdrücken. Sie wurde aber auch als provokativ empfunden, denn sie brachte den Krieg im wörtlichen Sinn nach Berlin. Zudem war die Kanone des entmilitarisierten Panzers auf das Botschaftsgebäude gerichtet. Mit-Initiator Wieland Giebel bezeichnete den Panzer gegenüber der Presse als ein „Symbol des Untergangs“: So wie die nationalsozialistische Herrschaft untergegangen sei, werde auch das russische Regime untergehen.

Rechtlich war die Aktion in Berlin umstritten. Die Behörden des Bezirks Mitte  hatten zunächst mit Hinweisen auf die Verkehrssicherheit und außenpolitische Spannungen Bedenken geäußert und die Genehmigung verweigert. Doch das Berliner Verwaltungsgericht entschied zugunsten der Künstler und betonte, dass die Aktion als Meinungsäußerung durch die Kunstfreiheit geschützt sei. Nichtsdestotrotz musste das Team eine Gebühr für die „Sondernutzung des öffentlichen Raums“ zahlen.

Während der mehrtägigen Auktion auf der Mittelpromenade wurde der Panzer für spazierengehende und protestierende Menschen zu einem Treffpunkt, der zum Nachdenken und zum Meinungsaustausch einlud. Eine Ausstellung informierte über die militärischen und politischen Hintergründe. Nach dem Ende der Berliner Aktion war der Panzer auf verschiedenen Stationen im Ausland zu sehen, zunächst in den Niederlanden.
Eine Schautafel informierte vor Ort über die Herkunft des Panzers.
OTFW, Berlin (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Denkmal_Unter_den_Linden_63_(Mitte)_Dieser_Panzer.jpg), „Denkmal Unter den Linden 63 (Mitte) Dieser Panzer“, Ausschnitt von Stadtmuseum Berlin, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Mehr zum Thema

Der Blick über den Güterbahnhof zeigt Dutzende deutscher und sowjetischer Panzerwracks. Im Hintergrund links die Ringbahn-Gleise, rechts das ehemalige Bürgerspital zwischen Sophie-Charlotten-Straße, Mollwitzstraße und Heubnerweg, heute ein denkmalgeschütztes Wohnquartier.
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Cecil F. S. Newman

BerlinZEIT

Die Stadt macht Geschichte!

Noch mehr aus der Berliner Stadtgeschichte erfahren Sie in unserer großen Ausstellung im Museum Ephraim-Palais.