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Max Reinhardt

Max Reinhardt (1873–1943) war einer der bedeutendsten Bühnenkünstler:innen des 20. Jahrhunderts. Von Berlin aus beeinflusste er maßgeblich das europäische und amerikanische Theater.

von Bärbel Reißmann
Max Reinhardt während der Dreharbeiten zu „Sommernachtstraum“ 1935
© Stadtmuseum Berlin

Am 9. September 1873 in Baden bei Wien als ältestes von sieben Kindern der jüdischen Kaufmannsfamilie Goldmann geboren, wuchs Max in einfachen Verhältnissen auf. Während einer Banklehre entdeckte er seine Liebe zum Theater und nahm Schauspielunterricht. Bereits zu Beginn seiner Laufbahn am Wiener Eleventheater 1890 hatte er den Künstlernamen Reinhardt gewählt.

Programmheft „Schall und Rauch“, 1901
© Stadtmuseum Berlin

Aus der Provinz nach Berlin

Nachdem er bereits in Rudolfsheim und Salzburg auf der Bühne gestanden hatte, holte ihn der neue Intendant Otto Brahm an das Deutsche Theater nach Berlin. Max Reinhardt mietete ein möbliertes Zimmer in der Friedrichstraße 134 und wurde Ensemble-Mitglied im besten deutschsprachigen Theater der Zeit. Überwältigt von der großstädtischen Bühne und der Stadt nahm Reinhardt die vielfältigen Eindrücke auf und lernte bei Otto Brahm den neuen Schauspielstil des Naturalismus. Neben berühmten Schauspielkolleg:innen stand er in 95 Rollen im Rampenlicht, vor allem in Dramen von Gerhart Hauptmann. Max Reinhardt genügte dies aber bald nicht mehr. Mit Christian Morgenstern und einer Gruppe junger Schauspieler:innen diskutierte er an Künstlerstammtischen neue Spielformen.

Im Café Monopol am Bahnhof Friedrichstraße planten sie Gastspielreisen und Kabarettauftritte. Unter dem Namen „Schall und Rauch“ unterhielt die Gruppe seit Januar 1901 mit Parodien und pantomimischen Szenen das Berliner Publikum.

Ein Theater, das den Menschen wieder Freude gibt

Getragen von diesem Zuspruch wurde der Architekt Peter Behrens von Reinhardt beauftragt, einen Tanzsaal Unter den Linden 44 zum Theater umzubauen, das ab 1902 als Kleines Theater firmierte. Mit Spielfreude, Musik, Farbe und Licht sollte das Theater neu belebt werden. Max Reinhardt förderte das Unternehmen tatkräftig, auch als Regisseur, und kündigte seinen Vertrag mit dem Deutschen Theater. Die künstlerischen und finanziellen Erfolge mit Maxim Gorkis Schauspiel „Nachtasyl“ ermöglichten es ihm 1903 zusätzlich das Neue Theater am Schiffbauerdamm zu mieten, um den Publikumsansturm zu befriedigen.

Den eingeschlagenen Weg, alle Künste im Dienste des Dramas zu vereinigen, setzte Reinhardt konsequent fort. In die künstlerische Gestaltung bezog er den gesamten Bühnenraum ein und nutzte dafür alle technischen Neuerungen der Zeit. Unbedingt wollte er die Drehbühne als dramaturgisches Mittel einsetzen.

Das Drehbühnenmodell der Inszenierung „Ein Sommernachtstraum“ von 1905 – im Original zu sehen in BERLIN GLOBAL
© Stadtmuseum Berlin
Am 31. Januar 1905 drehte sich in seiner berühmten Inszenierung von William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ erstmals auf einer Drehbühne der Wald. Alle wollten diese Theatersensation im Neuen Theater sehen. Die weltweit Aufsehen erregende Aufführung begründete Reinhardts Ruhm, der Jahrzehnte anhielt.

Direktor eines eigenen Hauses

Mit Hilfe der klugen und weitsichtigen Finanzstrategie seines Bruders Edmund konnte Max Reinhardt 1905 das Deutsche Theater erwerben und grundlegend modernisieren. Als Direktor und Besitzer des ersten Schauspieltheaters der Stadt begann er zielstrebig seine vielfältigen Pläne zu verwirklichen. So nahm bereits am 2. Oktober 1905 die von ihm gegründete Schauspielschule des Deutschen Theaters ihre Tätigkeit auf.

Im Palais Wesendonck wurde der Nachwuchs für das ständig wachsende Ensemble der Reinhardtbühnen ausgebildet. In diesem Palais In den Zelten 21 im Berliner Tiergarten residierte der Theaterleiter auch mit seiner Frau, der Schauspielerin Else Heims, und gehörte fortan zur gehobenen Berliner Gesellschaft. Die Premieren des Deutschen Theaters wurden zum Glanzpunkt des Kulturlebens.

Exklusiv ging es auch in den Kammerspielen zu, einem schon 1906 zum Theater umgebauten, angrenzenden Gebäude. Am 8. November wurde die intime Spielstätte mit Henrik Ibsens Familiendrama „Gespenster“ in der Ausstattung von Edvard Munch eröffnet, und ebenfalls dort wurde Frank Wedekinds im selben Jahr uraufgeführtes „Frühlings Erwachen“ zum Erfolg.

Max Reinhardt erneuerte die Klassiker und Shakespeare-Stücke aus dem Geist und mit den modernen technischen Mitteln seiner Zeit. Ab 1907 gastierte er mit seinen Inszenierungen jährlich auch in zahlreichen anderen deutschen Städten sowie europaweit in Budapest, Moskau, Stockholm, London, Riga, St. Petersburg, Brüssel und Warschau. 1912 folgte das erste Gastspiel in den USA. Um die Person Max Reinhardt, den theatralisch kreativen Mittelpunkt, gruppierte sich ein Gesamt-Ensemble. Gemeinsam mit seinen Mitarbeiter:innen baute er ein Theater-Imperium auf, zu dem von 1915 bis 1918 auch die Berliner Volksbühne und ab 1919 das Große Schauspielhaus gehörte.

Zeitungsseite (1925–1927): „Das Große Schauspielhaus, die neue Reinhardt-Bühne in Berlin, erbaut von Prof. Hans Poelzig“
© Stadtmuseum Berlin

Das Große Schauspielhaus

Die Suche nach angemessenen Räumen für die Dramen führte Max Reinhardt zum Arenatheater. Nach spektakulären Gastspielen im Zirkus 1910 und 1911 mit seinem „König Oedipus“ suchte er in Berlin nach einem passenden Gebäude für diese Form des Theaters, bei der das Publikum eine runde Bühne umringt. Schließlich gestaltete Architekt Hans Poelzig den alten Zirkus am Schiffbauerdamm zum Großen Schauspielhaus um. Mit dem Umbau im kompromisslos expressionistischen Stil entstand mit 3200 Sitzplätzen und innovativer Technik das modernste Theater Europas.

Bei der Eröffnung mit der antiken Tragödie „Orestie“ am 29. November 1919 wurden Regisseur Max Reinhardt und Architekt Hans Poelzig gefeiert. Aber die Nachkriegsereignisse, die Revolution und der Kampf um die erste deutsche Republik zwangen ihn das unsichere Deutschland zu verlassen und seine Aktivitäten ins ruhige Salzburg zurück zu verlagern.

Mitbegründer der Salzburger Festspiele

Auf dem Salzburger Domplatz unter freiem Himmel setzte Max Reinhardt am 22. August 1920 den schon 1911 in der Zirkusarena uraufgeführten „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal in Szene. Damit begann die Erfolgsgeschichte der Salzburger Festspiele. Bereits zwei Jahre vorher hatte Reinhardt Schloss Leopoldskron bei Salzburg erworben und intensiv mit Hofmannsthal an der Idee „festlicher Spiele“ gearbeitet. Außerdem eröffnete er in Wien das Theater in der Josefstadt.

In den Jahren von 1920 bis 1924 vorwiegend in Salzburg und Wien tätig, kehrte er nach dem sensationellen Erfolg von Georg Bernhard Shaws „Die heilige Johanna“ – mit Elisabeth Bergner in der Titelrolle – nach Berlin zurück.

Rückkehr nach Berlin

Im sich entwickelnden Westen Berlins suchte Reinhardt nach einer neuen Spielstätte. Eine gute Gelegenheit bot sich am Kurfürstendamm 206, als der geplante Umbau des Gebäudes zu einem Filmtheater 1923 scheiterte. Der beauftragte Architekt Oskar Kaufmann löste die reizvolle Aufgabe brillant und baute ein kleines, elegantes Salontheater mit einem zweigeschossigen Logenkranz.

Obwohl im hinteren Teil des Gebäudekomplexes gelegen, war das Theater durch einen imposanten Haupteingang direkt vom Kurfürstendamm aus zugänglich. Mit dem Namen „Komödie“ wurde sowohl das Programm verkündet als auch für die neue Unterhaltungsstätte geworben. Zugleich markierte er die Wiederaufnahme der künstlerischen Leitung der Berliner Bühnen durch Max Reinhardt.
Der junge Max Reinhardt während eines Urlaubs in Dänemark, 1898
© Stadtmuseum Berlin

Die festliche Eröffnung im November 1924 mit Carlo Goldonis „Diener zweier Herren“ war nicht nur ein großer künstlerischer Erfolg, sondern auch ein gesellschaftliches Ereignis ersten Ranges. Reinhardt ließ den Theateraufführungen in den Nachtstunden zwischen elf und zwei Uhr noch Revuen folgen, die den Nerv der Zeit trafen.

Gemeinsam mit dem Koregisseur William Dieterle leitete Reinhardt die umfangreichen Dreharbeiten. Die Weltpremiere des später Oscar-prämierten Films fand am 9. Oktober 1935 gleichzeitig in New York und London statt. Am Vorabend war im Hotel „Waldorf-Astoria“ in New York eine große Gala veranstaltet worden.

Zahlreiche Persönlichkeiten, unter ihnen der Physiker Albert Einstein, würdigten Max Reinhardt in Reden, die vom Rundfunk übertragen wurden. Trotz des Jubels und der Anerkennung blieb der kommerzielle Erfolg jedoch aus. Damit waren weitere Filmprojekte vom Tisch.

Bühnenfeste in Berlin

Fünf Jahre vorher stand Max Reinhardt noch im Mittelpunkt der Berliner Theaterwelt. Zum 25-jährigen Direktionsjubiläum Reinhardts am Deutschen Theater veranstaltete der Verein Berliner Presse 1930 ein Bankett in den Festhallen am Zoo im Anschluss an eine festliche Aufführung von Johann Strauss‘ Operette „Die Fledermaus“ im Deutschen Theater. Eine Fülle von Ehrungen, einschließlich der Ehrendoktorwürde der Universitäten Frankfurt am Main und Kiel, würdigten die wegweisende Theaterarbeit des Regisseurs und Bühnenleiters Reinhardt.

Alles, was Rang und Namen hatte, feierte am Zoo. Max Reinhardt gab die Anerkennung am nächsten Tag bei einem Fest der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger mit 2.000 Gästen an seine Mitarbeiter:innen weiter: „Aus meinem Liebesverhältnis zu Ihnen ist alles entstanden, was ich bin und tue. Und deshalb gelten die reichen Ehrungen, die mir widerfahren sind, auch Ihnen.“
Max Reinhardt am Mikrofon und im Mamorsaal am Zoo auf Einladung des Vereins Berliner Presse zu seinen Ehren, Berlin, 30.5.1930.
© Stadtmuseum Berlin | Freiherr von Gudenberg
Berlin, 30. Mai 1930
Originalaufnahme der Rede von Max Reinhardt (Ausschnitt)

Nach der Uraufführung von Hauptmanns „Vor Sonnenuntergang“ im Deutschen Theater 1932 zog Reinhardt sich endgültig von der Direktion zurück. Im Frühjahr 1933 verließ er Berlin und erklärte am 16. Juni in einem Brief aus Oxford an die nationalsozialistische deutsche Regierung seine Ablehnung, weiter in Deutschland zu arbeiten. Den ideellen und materiellen Bestand seines Lebenswerkes übereignete er dem deutschen Volk.

Zuflucht in Amerika

Noch konnte Reinhardt in Wien und Salzburg Regie führen, und im Herbst 1937 reiste er durch die USA. Doch nach der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich im Frühjahr 1938 war eine Rückkehr für ihn ausgeschlossen, obwohl er nicht vorgehabt hatte zu emigrieren. Im selben Jahr wurde sein Schloss Leopoldskron enteignet und sein Name aus der Chronik der Salzburger Festspiele entfernt.

Max Reinhardt ging nach Kalifornien und gründete 1938 in Hollywood den „Workshop for Stage, Screen and Radio“. Mit der endgültigen Übersiedlung nach Amerika erhielt er 1940 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Um ein Ensemble-Theater nach europäischem Vorbild einzurichten, zog er 1942 nach New York. Doch alle Theaterprojekte blieben ohne den erhofften Erfolg. Seine letzte Inszenierung, Bruce Hendersons „Son and Soldiers“, fand im Mai 1943 statt. Wenige Wochen nach seinem 70. Geburtstag starb er am 31. Oktober desselben Jahres in New York.
Max Reinhardt auf dem Cover des TIME-Magazins im Jahr 1927
© Stadtmuseum Berlin

Seit Juli 2021 präsentiert das Stadtmuseum Berlin originale Zeugnisse aus dem Leben und Schaffen des großen Theatermachers in BERLIN GLOBAL, der Berlin Ausstellung im Humboldt Forum. Dazu zählt unter anderem die Reisetasche von Max Reinhardt aus der Sammlung Professor Leonhard M. Fiedler.

Für eine Überraschung gut: die begehbare Diskokugel im Raum Vergnügen.
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Anne Preussel

BERLIN GLOBAL

Gestern, heute, morgen: Vieles, was in Berlin passiert, hat Einfluss auf die Welt. Und vieles, was in der Welt passiert, wirkt auf Berlin. BERLIN GLOBAL zeigt auf 4.000 Quadratmetern im Humboldt Forum, wie die Stadt und ihre Menschen mit der Welt verbunden sind.