Bilderbogen „Schlacht bei Weißenburg.“, Frankfurt am Main, 1870-77.
„Polyscope Editor“: Stadtmuseum Berlin entwickelt Pilot für ein innovatives Tool zur kritischen Sichtbarmachung kolonialer Bildwelten
Im Rahmen der Entwicklung einer dekolonialen Museumspraxis erprobte das Stadtmuseum Berlin in einem von Land Berlin geförderten digiS-Projekt am Beispiel von historischen Bilderbogen den Umgang mit kolonialrassistischen Bildern.
Auseinandersetzung mit kolonialen Darstellungen
Die Fertigstellung des Projekts Massenmedium Bilderbogen: Repräsentant des Kolonialen Archivs. Erprobung dekolonialer Digitalisierungsstrategien ist ein wichtiger Teil der Auseinandersetzung des Stadtmuseums Berlin mit kolonialen Darstellungen in seiner Museumssammlung. Bei der Erschließung und digitalen Präsentation dieser Sammlung sucht die Stiftung einen Umgang mit gewaltvollen, rassistischen Darstellungen. Deswegen widmete sie sich mit dem Pilotprojekt einem Massenmedium des 19. Jahrhunderts: Bilderbogen spiegeln nicht nur die gesellschaftlichen und kulturellen Strömungen ihrer Zeit wider, sondern sind auch Zeugnis des populären Kolonialrassismus.Im Rahmen des einjährigen Projekts entstand der Pilot für ein Visualisierungstool („polyscope editor“), mit dem die Inhalte der Bilderbogen digital aufgearbeitet und veröffentlicht werden . Jedes Objekt wird dabei systematisch beschrieben, analysiert und kontextualisiert. Bei der Analyse werden fünf Anwendungen entwickelt, die über das Visualisierungstool einzeln oder in Kombination angewandt werden können: „Markieren“, „Hervorheben“, „Transformieren“, „Verknüpfen“ und „Irritieren“ dienen der gezielten Auseinandersetzung mit den Inhalten. Da im Rahmen des Projekts Objekte im Fokus standen, die kolonialrassistische Motive beinhalten, war die Möglichkeit des „Irritierens“ von besonderer Bedeutung.
Das digiS-Projekt wurde von einem interdisziplinären Team interner und externer Mitarbeiter:innen konzipiert und umgesetzt. Dabei wurden zunächst 500 Bilderbogen für die Digitalisierung ausgewählt. Bei rund 70 Bilderbogen identifizierte das Team explizite kolonialrassistische Inhalte, die vertieft aufgearbeitet wurden. In Zusammenarbeit mit der Agentur Visual Intelligence wurden Strategien für die öffentliche Präsentation dieser Bilderbogen entwickelt. Das Stadtmuseum Berlin möchte das Pilotprojekt weiterentwickeln.
Die Ergebnisse des Projekts werden in einer umfangreichen Online-Präsentation anhand ausgewählter Beispielobjekte vorgestellt. Weiterhin werden die Bilderbogen in den Online-Datenbanken Sammlung Online, Deutsche Digitale Bibliothek (DDB), Europeana sowie auf Wikidata und Wiki Commons veröffentlicht.
Das innovative Vorhaben wurde 2024 im Förderprogramm „Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin“ durch das Land Berlin finanziert und vom Forschungs- und Kompetenzzentrum Digitalisierung Berlin (digiS) betreut. Die Kompetenzstelle DeKolonisierung und das Modellprojekt Dekoloniale. Erinnerungskultur in der Stadt, Kooperationspartner des Stadtmuseums Berlin, haben das Projekt fortlaufend beraten und unterstützt.
Das Projekt ist unter www.stadtmuseum.de/bilderbogen zu entdecken und stellt einen wichtigen Beitrag des Stadtmuseums Berlin zur Erinnerungskultur und zur kritischen Auseinandersetzung mit kolonialem Erbe dar.
Hintergrund: Bilderbogen
Bei einem Bilderbogen handelt es sich um ein einseitig bedrucktes Blatt Papier, meist im Maß von 36 × 43 cm. Die Bogen hatten unterschiedliche Funktionen. Sie konnten belehrend über das aktuelle Kriegsgeschehen berichten, aber auch unterhaltend sein. Durch die preisgünstige Herstellung in Massenproduktion und die einfache Bildsprache waren Bilderbogen in allen Bevölkerungsschichten beliebt. Sie gelten als ein frühes Massenmedium des 19. Jahrhunderts. Die Stiftung Stadtmuseum besitzt eine bedeutende Sammlung von etwa 6.000 Bilderbogen.Gefördert im Rahmen des Förderprogramms zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin.