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Leopold Ahrendts: Blick vom Alten Museum über den Lustgarten auf das Königliche Schloss, Berlin um 1856. Salzpapier
© Stadtmuseum Berlin

Leopold Ahrendts und die Residenzstadt Berlin

Leopold Ahrendts (1825-1870) gilt als der erste Berliner Stadtbildfotograf. Nun werden seine Fotografien nach 20 Jahren erstmals wieder in einer Personalschau ausgestellt: während der 1. Foto-Biennale in Tiflis (Tbilisi) im Georgian Museum of Fine Arts.

von Ines Hahn

Ausstellung: 25.5. – 1.6.23

Zwischen 1850 und der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 wandelte sich die noch beschauliche königliche Residenzstadt Berlin zu einer beginnenden Metropole. Mit der industriellen Revolution, der Ansiedlung großer Industriebetriebe und der Flächenausdehnung der Hauptstadt Preußens und späteren Reichshauptstadt verdoppelte sich ihre Einwohnerzahl explosionsartig. Auch das von dem Architekten des Königs Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) klassizistisch geprägte Antlitz der Innenstadt veränderte sich in dieser Phase durch Abrisse und repräsentative Großbauten. Diesen Prozess des Wandels begleitete Leopold Ahrendts mit dem jungen Medium Fotografie und erhielt dabei als Künstler große Anerkennung.

1856 hieß es im Deutschen Kunstblatt:
Ahrendts Aufnahmen gehörten „zum Schönsten, was uns in der architektonischen Photographie zu Gesicht gekommen“.
Leopold Ahrendts: Blick in die Säulenvorhalle des Alten Museums, Berlin, 1855/56. Salzpapier
© Stadtmuseum Berlin

Klarheit der Schatten

Ein Jahr später lobte die Zeitschrift für Bauwesen, sie nähmen es „allein an Feinheit und Schärfe der Formenwiedergabe, an duftiger Klarheit der Schatten, Zartheit der Abtönungen und Sorgfalt der Durchführung … mit den besten französischen Arbeiten dieser Art auf“.

Neben Architektur-, Stadtbild- und Landschaftsdarstellungen wandte sich Ahrendts auch der Baudokumentation, der Industriefotografie und Aufnahmen der Denkmalpflege zu. Trotz langer Belichtungszeiten in der Frühzeit der Fotografie ist von ihm auch eine Anzahl Ereignisfotografien bekannt.

Nach seinem frühen Tod geriet Ahrendts jedoch in Vergessenheit, denn mit dem Fortschritt der Fototechnik schufen bald neue Generationen Berliner Fotografen Bilder der prosperierenden Millionenstadt. Deren Aufnahmen prägen bis heute das Gedächtnis Berlins, denn sie fanden Eingang in neu gegründete Museen und wurden in der entstehenden illustrierten Presse massenweise verbreitet.

Das herausragende Werk Leopold Ahrendts ist hingegen nur bruchstückhaft in etwa 200 Motiven der 1850er und 1860er Jahre erhalten. Sie belegen, dass der Berliner Fotopionier sofort mit den zu seiner Zeit erfundenen fotografischen Negativ-Positiv-Verfahren experimentierte und sie bald versiert beherrschte.

Erst in jüngerer Zeit wurde sein Leben erforscht sowie sein verstreutes Oeuvre rekonstruiert und neu publiziert.
 
Leopold Ahrendts: Das Brandenburger Tor vom Pariser Platz aus, Berlin um 1860. Albuminpapier
© Stadtmuseum Berlin
Wer war Leopold Ahrendts?

Leopold Ahrendts wurde 1825 in Dessau als Sohn eines kunstsinnigen Klempnermeisters und späteren Fabrikbesitzers geboren, der auch autodidaktisch malte. Wo Ahrendts seine künstlerische Ausbildung erhielt, ist unbekannt. Er arbeitete zunächst als Zeichner, Maler und Lithograf, nahm 1850-1852 an den Kunstausstellungen der Königlichen Akademie der Künste in Berlin teil und war ab 1852 in den Adressbüchern Berlins als Lithograph verzeichnet, ab 1856 als Photograph.

Die erste signierte Fotografie von seiner Hand datiert von 1855 – ein aus zwei Aufnahmen montiertes Panorama Berlins.

1856 schließlich veröffentlichte Ahrendts als erster Berliner Fotograf überhaupt im Kunsthandel eine Sammlung von vierundvierzig Aufnahmen im Format 6 mal 8 Zoll (15,5×21 cm). Das Portfolio „Architektonische Ansichten Berlins“ verlieh seinem Werk überregionale Bedeutung und Verbreitung.

In den 1860er Jahren nahm Ahrendts an internationalen fotografischen Ausstellungen in Berlin und Paris teil, wurde 1864 Mitglied des neu gegründeten Photographischen Vereins zu Berlin und wechselte 1869 in den neuen Verein zur Förderung der Photographie. Er starb 1870 im Alter von 44 Jahren in Berlin.

Fotografischer Nachlass

Im Stadtmuseum Berlin sind heute etwa 150 Abzüge erhalten, deren Motive Leopold Ahrendts zugeschrieben werden. Viele stammen aus dem 1874 gegründeten Märkischen Museum, einem der Vorgängerinstitutionen des heutigen Stadtmuseums. Im Jahr 2004 konnte das Museum ein Konvolut Rohabzüge von Leopold Ahrendts aus dem Nachlass des mit ihm befreundeten, bedeutenden Berliner Vedutenmalers Eduard Gaertner (1801-1877) erwerben.

Diese Abzüge haben nicht die üblichen runden Ecken der für den Kunstmarkt produzierten Blätter. Sie bieten an ihren Rändern Einblicke in die Werkstatt des Fotografen (auch zu sehen bei dieser Fotografie).
Leopold Ahrendts: Domkirche mit Lustgarten, Berlin, um 1855/1856. Albuminpapier
© Stadtmuseum Berlin

40 Fotos in Tiflis

Die Ausstellung im Georgian Museum of Fine Arts ist Teil der ersten Foto-Biennale in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens. Das Motto lautet: „Die Geburt der Fotografie – das IX. Jahrhundert“. Die Biennale wird von der Georgischen Gesellschaft für Fotografie organisiert und ermöglicht den Vergleich der frühen Fotografie in verschiedenen Städten und Ländern Europas. Das Medium hielt seinen Siegeszug um die Welt von Paris aus, wo das erste fotografische Verfahren, die Daguerreotypie, 1839 patentiert wurde. Das Stadtmuseum Berlin präsentiert mit 40 Bildern von Leopold Ahrendts den einzigen Beitrag aus Deutschland. Das Ausstellungsprojekt wird unterstützt durch die Deutsche Botschaft in Georgien.

Ausstellungsort

Ort
Georgisches Museum für bildende Kunst
18 L.ado Gudiashvili Str. 0105
Gudiashvili Tbilisi, Georgien 

Leopold Ahrendts: Oberbaumbrücke mit Blick stadteinwärts, rechts die alte Akzisemauer und das Stralauer Tor, Berlin, 1860. Albuminpapier
© Stadtmuseum Berlin

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