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Punktschrift-Schreibmaschine (ca. 1950–1980)

Objekt des Monats Januar 2022

Blindenschrift ermöglicht es blinden und stark sehbehinderten Menschen, selbstständig zu lesen und zu schreiben. Braille ist die verbreitetste Form der Blindenschrift. Anlässlich des Welt-Braille-Tags am 4. Januar stellen wir eine besondere Schreibmaschine aus unserer Sammlung vor.

2019 wurde der Stiftung Stadtmuseum Berlin eine tragbare Schreibmaschine geschenkt, die sich im Aussehen von den anderen Schreibmaschinen in der Sammlung unterscheidet. Denn unter dem unscheinbaren braunen Deckel verbirgt sich eine Schreibmaschine mit nur sechs Schreibtasten sowie einer Leerzeichen-, einer Weiter- und einer Zurück-Taste. Mehr Tasten sind auch nicht nötig, denn dieses Objekt ist eine Schreibmaschine für Blindenschrift.

Papierblatt mit Braille-Schriftzeichen in den [Probe]Räumen des Märkischen Museums
© Stadtmuseum Berlin

Friedliche Nutzung einer militärischen Erfindung

Hinter der Blindenschrift Braille verbirgt sich eine sogenannte Punktschrift. Entwickelt wurde sie 1825 in Paris von dem damals erst 16-jährigen, als Kind erblindeten Louis Braille. Er suchte nach einer Alternative zu geprägten Buchstaben, die für blinde und stark sehbehinderte Menschen nur schwer zu ertasten sind. Den entscheidenden Denkanstoß dafür fand er in einer Punktschrift, die das französische Militär für das Lesen und Schreiben unter nächtlichen Kriegsbedingungen entwickelt hatte.

Brailles Weiterentwicklung dieser Schrift basiert auf Zeichen, die aus bis zu sechs ins Papier geprägten Punkten bestehen, angeordnet in drei Zeilen aus bis zu zwei Punkten. Mit diesem System lassen sich 64 verschiedenen Muster darstellen – alle Buchstabendes Alphabets sowie Zahlen und Zeichen. 1850 wurde die Braille-Schrift in Frankreich an Blindenschulen eingeführt, 1879 dann auch in Deutschland.

Worte fühlen
Als Erfinder der ersten Schreibmaschine für Punktschrift wird der Berliner Blindenlehrer und spätere Direktor der Staatlichen Blindenanstalt in Berlin-Steglitz, Oskar Picht (1871–1945), genannt. Um sich und seinen Schüler:innen das Schreiben der Braille-Schrift zu erleichtern, entwickelte der Technikbegeisterte 1899 eine Schreibmaschine mit sechs Schreibtasten. Jeder dieser Tasten war ein Punkt der Brailleschrift zugeordnet. Je nachdem, welches Zeichen dargestellt werden soll, werden einzelne oder mehrere Tasten gedrückt. Dadurch werden Punktmuster in das Papier geprägt, die durch ertasten mit den Fingerspitzen gelesen werden können.

Zwar wurde zum Zeitpunkt von Pichts Erfindung bereits eine Braille-Schreibmaschine in den USA hergestellt, jedoch war Pichts Erfindung einfacher zu bedienen und setzte sich somit durch. So ist auch unsere Schreibmaschine nach dem Prinzip von Picht aufgebaut. Noch heute werden Punktschrift-Schreibmaschinen nach diesem Prinzip hergestellt.

Wer neugierig geworden ist und gerne selbst so eine Schreibmaschine ausprobieren möchte, kann dies in den [Probe]räumen des Märkischen Museums tun.