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Renée Sintenis
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Oliver Ziebe

Renée Sintenis (1888 – 1965)

Die Schöpferin des Berliner Bären

Renée Sintenis entschied sich schon früh im Leben für die Kunst. Das zwang sie oft dazu, gegen den Strom zu schwimmen. So wurde sie in der Weimarer Zeit zur prominenten Vertreterin der Berliner Bohème und nach dem Krieg zu einer mehrfach ausgezeichneten Botschafterin ihrer Stadt. Noch heute sind ihre unverwechselbaren Skulpturen auf vielfältige Weise präsent.

Am 20. März 1888 kommt Renate Alice Sintenis in Glatz (Schlesien) zur Welt. Ihre Kindheit und Jugend verbringt sie in Neuruppin, und erst nach kurzer Zwischenstation in Stuttgart lässt sich Familie Sintenis 1905 schließlich in Berlin nieder, wo der Vater am Kammergericht tätig wird. Obwohl die Tochter, die schon früh Zeichenunterricht nimmt, sich der Kunst widmen will, drängt er auf eine Ausbildung zur Sekretärin.

Zunächst fügt sich Renate widerstrebend und beginnt die Lehre. Sogar ihr 1907 aufgenommenes Studium der Dekorativen Plastik bricht sie dafür auf Druck der Eltern ab. Doch bald schon kommt es darüber zum Zerwürfnis: Die junge Frau widersetzt sich, verlässt das Elternhaus und geht fortan eigene Wege, um ihrer Liebe zur Kunst zu folgen.

Ein neuer Stern am Künstlerhimmel
In den folgenden Jahren macht die aufstrebende Künstlerin, die sich nun Renée nennt, mit Zeichnungen, Radierungen und Plastiken auf sich aufmerksam – darunter Selbstportraits, weibliche Akte, Büsten befreundeter Künstler und Terrakotta-Skulpturen bekannter Sportler in dynamischen Posen.  Immer mehr verschreibt sie sich der Bildhauerei: 1913 werden ihre Skulpturen erstmals ausgestellt, und ab 1915 entstehen die ersten ihrer meist kleinformatigen Tierskulpturen, die für das Schaffen von Renée Sintenis so typisch werden sollen.

Ihre künstlerische Karriere entwickelt sich vielversprechend. 1917 heiratet sie den 13 Jahre älteren Künstler Emil Rudolf Weiß, der ihr weitere wichtige Kontakte vermittelt. Schon zu  Beginn der 1920er Jahre ist der Name Renée Sintenis vielen Berlinern auch abseits der Kunstszene ein Begriff, und das nicht nur wegen ihrer Kunst: Mit ihrem auf viele Menschen faszinierend wirkenden androgynen Äußeren und ihrer modischen Erscheinung, aber auch durch ihren freien Lebensstil und ihre selbstsicheren Auftritte in der Öffentlichkeit, ist sie immer wieder ein beliebtes Thema für die damals breitgefächerte Presselandschaft der Stadt.

Ausgrenzung und Verlust
Ihre Kunst findet reißenden Absatz. 1931 wird Renée Sintenis als zweite Frau – nach Käthe Kollwitz – in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen. Doch wie für viele Berliner Künstlerinnen und Künstler bedeutet die Machtübernahme durch Adolf Hitler 1933 auch für sie einen tiefgreifenden Einschnitt. Da sie nach der Ideologie der herrschenden Nationalsozialisten jüdischer Herkunft ist – ihre Großmutter mütterlicherseits war vom jüdischen Glauben zum Christentum konvertiert –, dürfen ihre – nun als „entartet“ geltenden – Werke nicht mehr im Rahmen öffentlicher Ausstellungen gezeigt werden. Da sie vom Verkauf ihrer Kunst lebt, bedeutet dies nicht zuletzt wirtschaftlich einen schweren Verlust. 1934 wird sie auch aus der Akademie der Künste ausgeschlossen.

Während des Zweiten Weltkriegs verschlingt die Kriegswirtschaft der Diktatur massenhaft Rohstoffe. 1941 wird der Bronzeguss verboten, denn das Metall ist für die Rüstungsindustrie unentbehrlich. Die künstlerische Arbeit wird für Renée Sintenis spätestens jetzt nahezu unmöglich. Im Oktober 1942 stirbt unerwartet ihr Ehemann, und 1945 zerstören alliierte Bombenangriffe ihr Atelier, wobei zahlreiche persönliche Besitztümer und viele künstlerische Arbeiten verlorengehen. 

Eine Skulptur wird zum Markenzeichen
Das Kriegsende markiert für die Künstlerin einen Neubeginn. Im Berlin der Nachkriegszeit gelingt es ihr, an ihre Erfolge aus den zwanziger und frühen dreißiger Jahren anzuknüpfen. Auch zu akademischen Ehren kommt Renée Sintenis: 1955 wird sie als Professorin an die Hochschule für Bildende Künste sowie an die West-Berliner Akademie der Künste berufen. Zum Markenzeichen wird ihr Berliner Bär: Als verkleinerte Nachbildung einer 1932 entstandenen Bronzeskulptur wird das Bärchen in Silber und Gold ab 1951 zur begehrten Trophäe der alljährlichen Filmfestspiele „Berlinale“.

Eine lebensgroße Kopie des jungen Bären wird 1957 als Zeichen für die Berliner Stadtgrenze an der Avus aufgestellt. Weitere Bären markieren  ab 1960 an Autobahnen, die Berlin mit dem westdeutschen Bundesgebiet verbinden, die Entfernung zur bald darauf auf Jahrzehnte geteilten Stadt.

Bis zuletzt bleibt die inzwischen mehrfach ausgezeichnete Künstlerin ihrer Stadt treu. Als Renée Sintenis am 22. April 1965 stirbt, verliert Berlin eine seiner markantesten Botschafterinnen. An dem unscheinbaren Haus in der Innsbrucker Str. 23, das sie bis zu ihrem Tode zusammen mit Lebensgefährtin Magdalena Goldmann bewohnte, erinnert eine Gedenktafel an die Bildhauerin.