„Wege des Erinnerns“
Die Ausstellung „Wege des Erinnerns“ rückt die Geschichte kolonialer Gewalt sowie den antikolonialen Widerstand in den Fokus: Am 25. September 2025 wurden sieben Gedenkstelen im öffentlichen Raum in Berlin-Wedding gezeigt.
Gedenkstelen im „Afrikanischen Viertel“
Manga-Bell-Platz
Anna-Mungunda-Allee
Maji-Maji-Allee
Cornelius-Fredericks-Straße
Gedenkstelen bei den „Asiatisch-Pazifischen Straßen“
Pekinger Platz
Kiautschoustraße
Samoastraße
Nach Jahrzehnten des zivilgesellschaftlichen Engagements für Straßenumbenennungen machen vier Gedenkstelen im „Afrikanischen Viertel“ die neuen Namensgeber*innen des Manga-Bell-Platzes, der Anna-Mungunda-Allee, der Maji-Maji-Allee und der Cornelius-Fredericks-Straße bekannt. Bei den „Asiatisch-Pazifischen Straßen“ am Pekinger Platz, an der Kiautschoustraße und an der Samoastraße wird auf drei weiteren Gedenkstelen der koloniale Kontext der Straßennamen erklärt und um antikoloniale Perspektiven ergänzt. Die Gedenkstelen werden für ein Jahr zu sehen sein.
Die Installation versteht den öffentlichen Raum als Ort des Lernens und Gedenkens und ist Teil eines Prozesses der kritischen Auseinandersetzung mit Berlin kolonialer Vergangenheit.
Straßennamen wie Lüderitzstraße, Petersallee und Nachtigalplatz in Berlin-Wedding erinnerten lang an Kolonialakteure, die mit Ausbeutung und Unterdrückung verbunden waren. Die aktuellen Umbenennungen und die temporären Stelen markieren den kollektiven Willen, dieses Unrecht sichtbar zu machen und zugleich den Opfern und Widerstandskämpfer*innen eine Stimme zu verleihen.
Hintergrund
Die Gedenkstelen-Ausstellung wurde unter dem Titel „Wege des Erinnerns“ als Teil von „Dekoloniale – was bleibt?!“ konzipiert und vom Team Erinnerungsort Kolonialismus am Stadtmuseum Berlin umgesetzt. „Dekoloniale – was bleibt?!“ wurde von der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Die Realisierung der Gedenkstelen-Ausstellung wird gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Berlin.
Zitate & Statements
„Straßennamen sind immer Ehrungen. Die Umbenennungen radieren Geschichte nicht aus. Sie erinnern an die gleiche Geschichte, ehren aber nicht mehr die Täter*innen, sondern diejenigen, die gelitten und Widerstand geleistet haben.“
— Dr. MANUELA BAUCHE
Straßen und Plätze nach Personen oder historischen Ereignissen zu benennen, ist eine weitverbreitete Praxis. In den Benennungen manifestiert sich das kulturelle und historische Gedächtnis einer Gesellschaft sowie eine Wertschätzung für bestimmte Personen und die Ideen, für die diese Personen stehen.
„Ich kämpfe für Gerechtigkeit – und für die Anerkennung des ersten Völkermords des 20. Jahrhunderts von 1904 bis 1908 im heutigen Namibia.“
— ISRAEL KAUNATJIKE
Straßennamen sind Ausdruck der Identität und der Werte einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt. Damit stehen Namensgebungen auch für spezifische politische Ziele und Wünsche. Sie sind also nie neutral, sondern immer politisch. Sie sind dabei auch eingebettet in gesellschaftliche Dynamiken und reflektieren städteplanerische sowie politische Ziele und Ideologien.
„Die Anerkennung der Notwendigkeit der Richtigstellung und Sichtbarkeit
von Schwarzer deutscher Geschichte.“
— ABENAA ADOMAKO
Die Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte und ihrem Ausdruck in der Benennung öffentlicher Räume verdeutlicht, dass diese Ereignisse weit mehr sind als vergangene Geschehnisse, die außerhalb europäischer Territorien stattgefunden haben. Sie sind vielmehr Teil einer fortwährenden Auseinandersetzung mit Realitäten und kolonialen Fantasien, die durch solche Namensgebungen sichtbar gemacht und hinterfragt werden können.
„In einer wahren Demokratie werden Kolonialverbrecher nicht mit Straßennamen geehrt.“
— MOCTAR KAMARA
Der Prozess der Umbenennung ist nicht nur ein administrativer Akt, sondern auch ein tiefgreifender symbolischer Schritt. Er ermöglicht es, die komplexe Geschichte des Kolonialismus sichtbar zu machen und sowohl den Opfern als auch den Menschen, die Widerstand geleistet haben, Namen und Stimme zu geben.
„Erinnerung ist persönlich, kollektiv und politisch. Der öffentliche Raum ist ein Ort der Begegnung und des Dialogs. Umbenennungen sind wie Gegenwarts-Graffiti – Werkzeuge der Teilhabe und Intervention am gesamtgesellschaftlichen Dialog.“
— ADETOUN KÜPPERS-ADEBISI & MICHAEL KÜPPERS-ADEBISI
Nach Jahrhunderten des Kolonialismus über den Möglichkeitsraum einer historischen Gerechtigkeitsarbeit nachzudenken, bedeutet, die Geschichte kolonialer Gewalt und Unterwerfung sichtbar zu machen, die Perspektive einer europäischen Vorherrschaft aufzugeben und das gesamte Gefüge kultureller Werte und Beziehungen neu zu denken und zu gestalten.
„Umbenennung ist ein Akt der Beteiligung für mich; eine Einladung, die Art und Weise neu zu gestalten, wie wir uns in dieser Gesellschaft mit unseren Unterschieden und unseren Lebenserfahrungen begegnen, die nach wie vor von kolonialen Kontinuitäten geprägt sind.“
— RENÉE ELOUNDOU
Für eine Erinnerungspraxis im Stadtraum heißt das, die komplexen Spuren des Kolonialismus im Leben der Stadt zu identifizieren und wahrnehmbar zu machen. Das rückt nicht nur die politischen und kulturellen Beziehungen Berlins mit der Welt in ein neues Licht, sondern es erlaubt uns auch, nach den Beziehungen der Berliner*innen untereinander im Hier und Heute zu fragen. Eine kolonialismuskritische Erinnerungsarbeit in diesem Kontext heißt, sich kritisch mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und die Geschichten derjenigen zu erzählen, die bisher im Schatten der offiziellen Erzählungen standen. Es ist ein Prozess des Lernens und Verlernens und des Anerkennens.
„Wenn die verherrlichende Benennung einer Straße nach einem Nazi- oder Kolonialverbrecher eine erneute Tötung der Getöteten ist, dann ist für mich die Umbenennung dieser Straße das Waschen bzw. Bereinigen vergossener Tränen.“
— MNYAKA SURURU MBORO
Durch Umbenennungen von Straßen und Plätzen, öffentliche Diskussionen, Gedenkveranstaltungen und Bildungsprojekte wird das Bewusstsein für die koloniale Vergangenheit und ihre anhaltenden Auswirkungen geschärft. Das Gedenken an die Opfer der Kolonialherrschaft und das Bewahren ihrer Geschichten ist ein wichtiger Schritt, um eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft zu schaffen.
„Ein Denkmal für die Schwarzen Menschen in Deutschland, die durch Kolonialismus, Rassismus, Diskriminierung und die NS-Diktatur gelitten haben, wäre ein Ort des Innehaltens, der den vergessenen Opfern ihre Identität zurückgibt. An diesem Ort können wir um sie trauern, es können Lesungen und Kunstevents stattfinden, und in Bildungsprojekten können wir für ein neues Verständnis und eine freiere Zukunft arbeiten.“
— KATHARINA OGUNTOYE