Cecil F. S. Newman
Cecil F. S. Newman (1914–1984) kam im Juli 1945 als Offizier der britischen Armee in das vom Zweiten Weltkrieg zerstörte Berlin. Als Ingenieur half er mehr als ein Jahr lang beim beginnenden Wiederaufbau der Stadt. Und als Fotograf dokumentierte er neben den Zerstörungen auch die Menschen im Moment des Neubeginns.
Cecil Fitzwilliam Seumas Newman wurde am 2. August 1914 in Lisburn (Nordirland, Großbritannien) geboren. Aufgewachsen als Sohn eines Polizisten in einem Vorort der nordirischen Hauptstadt Belfast, machte er an der Royal Academical Institution sein Abitur und begann danach eine Tätigkeit in der Stadtverwaltung – zunächst in der Abteilung für Stadtvermessung, dann in der Abteilung für Stadtplanung.
Früh war Newman bei den Pfadfindern und der Jugendherbergsbewegung aktiv. 1931 wurde er „Scout of the Year“ (Pfadfinder des Jahres), bald darauf Leiter einer Pfadfindergruppe. In dieser Funktion nahm er an internationalen Treffen (Jamborees) teil – 1935 in Schweden, 1936 in Österreich. Er lernte an der Abendschule Deutsch, um 1938 ein zweites Mal nach Österreich zu reisen.
Neben seiner Arbeit studierte Newman an der militärischen Queens University in Belfast Ingenieurswesen und begann 1938 beim dortigen Officers‘ Trainings Corps seine Ausbildung zum Offizier. Nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen im September 1939 wurde er zu den Royal Engineers einberufen, ins Ingenieurskorps der britischen Armee.
Kriegserlebnisse
Nach den verheerenden deutschen Luftangriffen auf London und Coventry 1940 wurde im Frühjahr 1941 auch Newmans Heimatstadt Belfast bombardiert. Mehr als 1.000 Menschen starben. Rund die Hälfte der Wohngebäude wurde zerstört, der Hafen und eine Werft erlitten Schäden. Der 27-jährige Royal Engineer Newman erhielt den Auftrag, so genannte Blindgänger zu entschärfen – beim Aufschlag nicht explodierte Bomben. In seiner freien Zeit half er, Bombenschäden zu beseitigen. Ständig in Gefahr den nächsten Tag nicht zu überleben, heiratete Newman 1942 Molly Baird, eine Kameradin aus seiner Youth Hostelling Group (Jugendherbergsgruppe).Im Oktober 1943 wurde er in die britische Kronkolonie Gibraltar an der Südspitze der iberischen Halbinsel versetzt. Dort er arbeitete er daran mit, den Flughafen zu erweitern und eine unterirdischen Festung für 15.000 Soldaten in den felsigen Grund zu bauen. Dabei verlor er durch eine Sprengung einseitig das Gehör.
Freiwillig zum Wiederaufbau
Schon 1944 meldete sich Newman freiwillig, um nach dem Krieg beim Wiederaufbau in Deutschland zu helfen. Seit der im Februar 1942 vom britischen Luftfahrtministerium ausgegebenen „Area Bombing Directive“ (Richtlinie für Flächenbombardierungen) waren deutsche Städte, vor allem Wohngebiete, schweren Luftangriffen ausgesetzt. Diese sollten die Zivilbevölkerung zermürben und Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime hervorrufen.
Als die Reichshauptstadt am 2. Mai 1945 nach hunderten von Luftangriffen und der zwei Wochen dauernden Schlacht um Berlin schließlich kapitulierte, lag sie in Trümmern. Zwischen 20.000 und 50.000 Zivilpersonen waren tot, 35 Prozent aller Wohnungen vernichtet, über 40 Prozent stark beschädigt, Straßen und Brücken zerstört oder nicht mehr befahrbar.
Einsatz in Berlin
Nachdem er im Frühjahr 1945 eine Ausbildung in Notfall-Wasserversorgung durchlaufen hatte, kam Newman im Juli nach fast sechs Jahren Kriegseinsatz nach Berlin. Einer der ersten Aufträge für den fast zwei Meter großen, Pfeife rauchenden Ingenieur waren Berechnungen zur geplanten Sprengung des im britischen Sektor gelegenen Flakbunkers am Zoo. Newman kam zu dem Ergebnis, sie sei nicht möglich. Tatsächlich blieben erste Sprengversuche 1947 erfolglos.Newman arbeitete fortan hauptsächlich für die Abteilung Public Works and Utilites (Öffentliche Arbeiten und Versorgungsbetriebe) der britischen Militärregierung. In enger Zusammenarbeit mit deutschen Behörden, Bezirksbauämtern und dem Magistrat ging es darum, mit dem wenigen verfügbaren Geld, Material und Fachpersonal Prioritäten zu setzen und zu planen. Was hatte Vorrang? Was war dafür nötig? Newman prüfte Anträge und erteilte Bauscheine – etwa für die Reparatur der Schulenburgbrücke im Spandauer Ortsteil Wilhelmstadt.
Arbeiten bis Mitternacht
Die Arbeit erforderte hohes persönliches Engagement. In den Büros von Newmans Dienststelle hingen Schilder mit der Aufschrift „Fasse dich kurz oder hilf mir arbeiten“. Allein im britischen Sektor waren über 10.000 Gebäude zerstört oder für den Wiederaufbau zu schwer beschädigt. Durch einen Kollegen Newmans ist dessen „Staying until Midnight Scheme“ überliefert – Arbeiten bis Mitternacht. Mit seinem Team begutachtete Newman Schäden und Baufortschritte: Reparaturen und Trinkwasser-Versorgung, Behelfsbrücken- und Straßenbau, Beschaffung von Baumaterialien. Auch die Gefahrenbeseitigung durch das Sprengen von Ruinen, das Räumen von Schutt und die Bergung und Verwertung von massenhaft in der Stadt verstreutem Kriegsgerät gehörten dazu.Newman fotografierte schon seit 1935. Das belegen Aufnahmen von Wander- und Kletter-Touren seiner Pfadfindergruppe. Wann und wo er fotografieren lernte, ist nicht bekannt. Doch schon während seiner Militärzeit in Gibraltar stellte er großformatige Portrait-, Landschafts- und Architektur-Fotografien aus. Mit seiner Kamera der Marke Leica machte er allein in Berlin mehr als 1.400 Fotos. Manchmal arbeitete er mit zwei Kameras, denn von einigen Motiven gibt es zeitglich entstandene Schwarz-Weiß- und Farb-Aufnahmen.
Eva Kemlein
Dokumentarin der Berliner Nachkriegszeit
Die Fotografin Eva Kemlein (1909–2004) war eine weitere wichtige Dokumentarien der Berliner Nachkriegszeit. Unter nationalsozialistischer Herrschaft wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt, ging sie in den Untergrund und blieb bis zum Kriegsende im Widerstand aktiv.
Ab 1945 arbeitete sie als Mitarbeiterin der ersten Stunde für die „Berliner Zeitung“. Mit ihrer Leica-Kamera fotografierte Sie das neu erwachende städtische Leben zwischen Ruinen. Im Auftrag des Berliner Magistrats dokumentierte sie mit ihren Bildern 1950 das vom Krieg beschädigte Berliner Schloss vor seiner Sprengung. Ab den 1950er Jahren machte sie sich als Fotografin der Ost-Berliner Kunst- und Kulturszene einen Namen, ab den 1970ern auch der in West-Berlin.
Wiederaufbau-Komitee
Newman war während seiner Berliner Zeit auch Mitglied des Internationalen Komitees für Bau- und Wohnungswesen, ab Oktober 1945 zusammengerufen von Hans Scharoun, dem Stadtbaurat des Berliner Magistrats. Alle vier Besatzungsmächte entsandten Vertreter in diesen Sachverständigenrat, der die Planungen für das neue Berlin begleitete, insbesondere durch die Entwicklung vorgefertigter Gebäude. Auf deutscher Seite gehörten dazu neben Scharoun die Architekten und Stadtplaner Martin Mächler, Wils Ebert und Karl Böttcher. Das Komitee schätzte, das weltweit 100 Millionen Wohnungen benötigt wurden und versprach sich von Serienfertigung leichter, langlebiger Typenhäuser aus Kunststoff nicht nur eine Linderung der Wohnungsnot, sondern auch einen Aufschwung für die deutsche Wirtschaft.Als die Ergebnisse der Planungen am 22. August 1946 in einer Ausstellung öffentlich vorgestellt wurden, hatte Newman Berlin schon verlassen. Im Rahmen einer Truppen-Reduzierung war er Mitte August nach Großbritannien abgezogen worden. Hans Scharoun schrieb ihm: „Da Sie jetzt in ihre Heimat zurückkehren, drängt es mich, Ihnen auf das Herzlichste für das große Verständnis zu danken, das Sie unserer Arbeit entgegenbrachten. Es war für mich und meine Mitarbeiter eine große Freude, immer wieder zu erfahren, dass wir in unserer so schwierigen Situation auch menschlich verstanden wurden. […] Wir alle bedauern aufrichtig ihre Abreise und wünschen Ihnen Erfolg bei Ihrer Arbeit und uns, dass die geknüpften Verbindungen nicht abreißen mögen.“ In regem Briefwechsel ließ Newman sich von den Reaktionen auf die Ausstellung berichten, deren utopischer Ansatz in der Öffentlichkeit kritisiert wurde.
Rückkehr-Pläne
Newman plante, als ziviler Angestellter der Militärregierung schnellstmöglich nach Berlin zurückzukehren. Persönliche Gegenstände, wie seine Kamera-Ausrüstung, ließ er deshalb zunächst zurück. Zusammen mit seiner Mutter schickte er von Belfast aus über das Schwedische Rote Kreuz mehr als 50 Päckchen mit Lebensmitteln, Kleidung und anderen Dingen nach Berlin. Die Antwortbriefe zeugen noch heute von Dankbarkeit. Erna Mischonat, die mit Newman befreundete Inhaberin eines Fotogeschäfts in Wilmersdorf, schrieb am 31. Oktober 1946 an ihn: „Durch Sie habe ich auch Freude. […] Aber wie soll ich Ihnen all das Gute vergelten? Sie können nicht so viel Geld für uns ausgeben. Sie haben schon in Berlin zuviel geholfen.“
Newman plante, als ziviler Angestellter der Militärregierung schnellstmöglich nach Berlin zurückzukehren. Persönliche Gegenstände, wie seine Kamera-Ausrüstung, ließ er deshalb zunächst zurück. Zusammen mit seiner Mutter schickte er von Belfast aus über das Schwedische Rote Kreuz mehr als 50 Päckchen mit Lebensmitteln, Kleidung und anderen Dingen nach Berlin. Die Antwortbriefe zeugen noch heute von Dankbarkeit. Erna Mischonat, die mit Newman befreundete Inhaberin eines Fotogeschäfts in Wilmersdorf, schrieb am 31. Oktober 1946 an ihn: „Durch Sie habe ich auch Freude. […] Aber wie soll ich Ihnen all das Gute vergelten? Sie können nicht so viel Geld für uns ausgeben. Sie haben schon in Berlin zuviel geholfen.“
Cecil Newman sah Berlin nie wieder. Als er 1947 in die Royal Photographic Society aufgenommen wurde, hoffte er vergeblich auf eine dreiwöchige Fotoreportage-Reise nach Berlin. 1949 stellte er eine Gruppe der „Youth Hostels Association of Northern Ireland“ (Jugendherbergsgesellschaft von Nordirland) zusammen, die den Wiederaufbau einer Jugendherberge in Hannover unterstützte, konnte sie jedoch nicht begleiten. Erst 1953 gab Newman seine Berlin-Pläne endgültig auf, als er nach Abschluss eines Studiums die volle Mitgliedschaft des Royal Town Planning Institutes (Köngliches Stadtplanungsinstitut) erhielt. Seine wachsende Familie – zwischen 1949 und 1959 kamen die Kinder Pat, John und Michael zur Welt – und neue berufliche Herausforderungen banden ihn an seine Heimat.
Ab 1956 arbeitete Newman für das nordirische Entwicklungsministerium. Anfang der 1960er Jahre war er am Matthew-Plan beteiligt, einem Regionalvorhaben für die Stadtentwicklung Belfasts mit dem Ziel, modernen Wohnraum zu schaffen und zugleich die Landschaft zu schützen. In den 1970er Jahren trat er als Autor der Gebietspläne für die Mourne Mountains und die Newry Area hervor, in die er eigene Landschaftsfotografien einfügte. Zeit seines Lebens bezog Newman in seine Arbeit als Stadt- und Landschaftsplaner seine Fotografien ein. Heute befinden sie sich in den Sammlungen des Down County und des National Museums Northern Ireland.
1984 stellte Newman eine Auswahl seiner Arbeiten unter dem Titel „Reflections of C.F.S. Newman – a Planner and his Camera“ (Reflexionen von C. F. S. Newman – ein Planer und seine Kamera) im Housing Advice Centre Belfast aus. 1972 erhielt er den Order oft he British Empire. 1984 zeichnete ihn das Royal Town Planning Institute Northern Ireland für seine besonderen Verdienste aus. Jahrelang war er führendes Mitglied der „Ulster Society fort he Protection oft he Countryside“. Am 19. Dezember 1984 starb Cecil F. S. Newman in Belfast.
Redaktionelle Bearbeitung: Heiko Noack