Geisterhafte weiße Frauengestalt in Hans Baluscheks Grafik „Der neue Spiritualismus“, 1892
© Stadtmuseum Berlin

Die Weiße Frau

Aus mehreren Schlössern und Burgen Europas gibt es Geschichten über eine geisterhafte „Weiße Frau“. Auch das Berliner Schloss wurde der Legende nach von ihr heimgesucht – mit tödlichen Folgen, die bis heute Spuren hinterlassen haben.

von Cornelia Gentzen

„Um die Erscheinung im sandfarbenen Gewand und einem Schleier aus Spinnweben ranken sich viele Sagen“, heißt es in „Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg für Jung und Alt“  von W. Schwarz aus dem Jahr 1871. Und tatsächlich reicht die vor allem im 19. Jahrhundert populäre Geistergeschichte tief zurück in Berlins Vergangenheit.

Der Hausgeist der Hohenzollern

Schon im 14. Jahrhundert trat die Weiße Frau zum ersten Mal bei den Hohenzollern in Erscheinung, die damals noch im fränkischen Nürnberg residierten. Es hieß, es handele sich um den Geist der Kunigunde von Orlamünde (um 1303 – 1382). Aus Liebe zu Burggraf Albrecht von Nürnberg (genannt „der Schöne“, 1319 – 1361) hatte sie infolge eines tragischen Missverständnisses ihre beiden Kinder getötet. Nach dem Tod „umherzugehen“ sollte ihre Strafe sein.

Mit dem Bau des Berliner Schlosses ab 1442 erschien der „Todesengel“ an diesen neuen Ort. Und immer soll kurz danach ein Familienmitglied der Hohenzollern gestorben sein. Doch es hieß, dass sie nie selbst der Grund dafür gewesen sei, sondern das Ereignis nur vorhergesagt hätte. Markgraf Joachim II. (1505 – 1571) soll sie sogar alle Tode der Familie angekündigt haben. Spätestens seit dem Ableben seines Sohnes Johann Georg (1525 – 1598) hatte sie einen festen Platz in der Überlieferung eingenommen.
Ab 1442 spukte die Weiße Frau im Berliner Schloss, hier 1592/93 in einer Radierung von Philipp Uffenbach, 1592/93
© Stadtmuseum Berlin
Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg, Gemälde eines unbekannten Künstlers, 1608-1616
© Stadtmuseum Berlin

Flucht in die Poststraße

Dem Enkel Johann Georgs, Kurfürst Johann Sigismund (1572 – 1619) erschien die Weiße Frau ebenfalls. Am am 22. November 1619 flüchtete er sich daher ins Haus seines langjährig vertrauten Kammerdieners Anton Freitag in der Poststraße 4, wo er sich schon einige Male aufgehalten hatte. Dort verstarb der erst 47 Jahre alte Kurfürst gut vier Wochen später im Beisein seiner Familie. Die Weiße Frau hatte ihn auf dem Gewissen – so will es die Legende.
Tatsächlich hatte der Kurfürst bereits 1616 einen Schlaganfall erlitten, infolgedessen er die Regierungsangelegenheiten schon zu Lebzeiten in die Hände seines Sohnes Kurprinz Georg Wilhelm legte.

Anton Freitag stiftete seinem verstorbenen Dienstherren eine Gedenktafel mit einer lateinischen Widmung, die er über dem Sterbebett anbringen ließ. Die Inschrift lautete frei übersetzt: „Im Jahre Christi 1619, am 23. Dezember, nachmittags 3 Uhr gab an dieser Stelle nach Überwindung der Leiden dieser Welt und nachdem er 47 Jahr, 1 Monat und 4 Tage auf dieser Erde gelebt Gott seine Seele zurück der erlauchteste Fürst und Herr, Herr Johann Sigismund …“.

Spuren der Legende

Ab 1875 war die Gedenktafel ein Thema für das Märkische Provinzial-Museum, aus dem später das Stadtmuseum Berlin hervorgegangen ist. Als zeitgeschichtliches Dokument sollte sie Teil der Sammlung werden. Doch sowohl die originale Tafel als auch eine später geschaffener Gips-Abguss sind heute verschollen.

So ist aus der Legende um die Weiße Frau ein ganzes Bündel von Geschichten entstanden, das nicht nur im Berliner Sagenschatz, sondern auch in der Stadt selbst sowie in zahlreichen Dokumenten und Bildern des Stadtmuseums Berlin Spuren hinterlassen hat.
Gedenktafel im Sterbezimmer des Kurfürsten Johann Sigismunds. Nur kurze Zeit nach Enstehen dieser Aufnahme verliert sich 1916 ihre Spur.
© Stadtmuseum Berlin

Redaktionelle Bearbeitung: Heiko Noack

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