„Ich war in Europa und in Berlin zu Haus.“
Die Lebensstationen des Künstlers Christoph Meckel sind vielfältig: Geboren in Berlin-Dahlem, verbrachte er seine Kindheit bis 1939 in Schöneiche östlich von Berlin. Er lebte in Paris und der umgebenden Region Île de France, in Berlin, in München, in Ötlingen im Markgräflerland, in der Region Drôme (Frankreich), in der Toskana (Italien) und zuletzt wieder in Freiburg.
Nachdem der Vater 1947 aus französischer Kriegsgefangenschaft freigekommen war, floh die Mutter mit ihrem Sohn Christoph aus der sowjetischen Besatzungszone nach Freiburg. An der dortigen Akademie der Bildenden Künste begann Meckel 1954 ein Studium der Malerei und Grafik. Er lernte bei Rudolf Dischinger, einem Vertreter der Neuen Sachlichkeit, der sich nach 1945 der abstrakten Malerei zugewandt hatte. 1956 wechselte Meckel an die Akademie der Bildenden Künste in München. Dort nahm er kaum am Lehrbetrieb teil, erlernte aber in der dortigen Druckwerkstatt das Radieren. Im selben Jahr begann er als freier Schriftsteller und Grafiker zu arbeiten.
Bereits als 20-Jähriger hatte er 1955 seine ersten Gedichte publiziert. 1956 erschien in München das Heft „Tarnkappe“ mit seinen eigenen Gedichten und Grafiken als erste selbständige Veröffentlichung. Ausgedehnte Reisen führten Meckel durch Europa, Afrika und Amerika.
Radierungen der „Weltkomödie“ und schriftstellerische Arbeiten
Nach seinen ersten Kindheitsjahren in Berlin kam Meckel im November 1957 zurück in die Stadt, die er später stets als seinen Lebensmittelpunkt bezeichnen sollte. Der 22-Jährige wohnte zunächst zur Untermiete in Steglitz, ab 1958 in Friedenau und ab 1976 in Wilmersdorf in der Kulmbacher Straße. In Berlin baute sich Meckel ein Netzwerk von befreundeten Künstler:innen auf, darunter Robert Wolfgang Schnell, Jeanne Mammen, Günter Anlauf, Günter Bruno Fuchs, Roger Loewig, Natascha Ungeheuer und Gisela Breitling.In seinem „Bericht zur Entstehung einer Weltkomödie“ (1985) verweist Meckel auf die Zeitgeschichte als „harten Kern“ der Bilder: Sie spiegeln künstlerisch, „was im Zeitraum ihrer Entstehung geschah: die Veränderung der Welt und ihre Katastrophen, die Kriege […], die Berliner Mauer und die Studentenrevolte, die ökologischen, technischen Situationen, die Condition Humaine und den Zeichner selbst“. Die „Weltkomödie“ besteht aus 12 grafischen Zyklen, aus kleineren Serien sowie mehrteiligen Bildwerken aus je zwei (Diptychen) oder drei Blättern (Triptychen). Zu den großen Zyklen gehören zum Beispiel „Moël“, „Der Turm“, „Das Meer“, „Der Strom“, „Limbo“ oder der 2024 vom Stadtmuseum Berlin erworbene Zyklus „O Babylon!“.
Mit seinen frühen Gedichten hat sich Meckel einen festen Platz in der Nachkriegsliteratur gesichert. Seine Anfänge als Autor sind geprägt vom Schock des Krieges, der ihn als Kind mit grausamen Bildern konfrontiert hatte, etwa beim Anblick von Leichen im zerbombten Freiburg und Erfurt. Weithin bekannt wurde er mit Gedichten und Erzählungen. Dazu gehören „Bockshorn“ (1973), eine Geschichte über zwei entwurzelte Jugendliche auf der Suche nach ihrem Platz in einer rauen modernen Welt, und „Licht“ (1978), eine Liebesgeschichte.
Im autobiografischen Prosastück „Suchbild“ (1980) verarbeitet er eine Seite seines Vaters – des 1969 verstorbenen Schriftstellers Eberhard Meckel –, die ihm lange verborgen geblieben war. 1976 wurde er bei der Lektüre der Kriegstagebücher seines Vaters mit dessen soldatischem Selbstverständnis, Ehrbegriff und Antisemitismus konfrontiert, die selbst durch erlebte Kriegsverbrechen nicht erschüttert worden waren.
Mit anderen Autor:innen war Christoph Meckel freundschaftlich verbunden, darunter Peter Huchel, Günter Eich, Peter Weiss, Johannes Bobrowski, Günter Grass, Sarah Kirsch und Michael Krüger.
Christoph Meckel und Berlin
Berlin ist der geografische Fixpunkt im Leben des Weltbürgers Christoph Meckel – der Ort, dem er prägende Eindrücke, wichtige Begegnungen und künstlerische Inspirationen verdankt: „Ich war in Europa und in Berlin zu Haus“, bekannte er in seinem „Bericht zur Entstehung einer Weltkomödie“. Die Stadt faszinierte ihn als Schauplatz historischer Brüche – vom Ende des Nationalsozialismus über Wiederaufbau, Teilung der Stadt und 1968er-Revolte bis hin zur Wiedervereinigung. Die Großstadt ist ein Leitmotiv, das Meckels bildkünstlerisches Schaffen durchzieht – als Ausgangspunkt politischer Veränderungen, als Ort menschlicher Abgründe und Leidenschaften.
In den Tagen um die Öffnung der Berliner Mauer entstanden ausführliche Notizen. Sie verbinden die nüchterne Beobachtung des Jubels und der Begeisterung in der Nacht des 9. Novembers 1989 mit einem düsteren Resümee der jahrzehntelangen Teilung der Stadt: „Sehr hart und böse kam mir die Schwarzgalle hoch, zurückdenkend an die Hälfte meines Lebens – Mauer, und was das hieß: die Lähmungen, Tristessen, das Graue und Furchtbare darin selbst für mich, die Freundschaften und die Liebe […].“