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Elektrotriebzug der bis 1931 hergestellten Baureihe ET 165 am S-Bahnhof Hohenzollerndamm, 13. Dezember 1963
© Stadtmuseum Berlin | Ludwig Binder

Aufstieg und Niedergang der Berliner S-Bahn (1924 – 1984)

Durch die Teilung Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eines der modernsten Verkehrsmittel der Welt zum Sinnbild des Verfalls.

von Ines Hahn

Ab 1924 wurden die dampfbetriebenen Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen schrittweise ausgebaut und elektrifiziert. 1930 in „Stadtbahn“ (S-Bahn) umbenannt, wuchs das Streckennetz bis zum Zweiten Weltkrieg auf fast 300 Kilometer, das Fahrgastaufkommen bis 1943 auf mehr als 700 Millionen Reisende. Ab 25. April 1945 kam der S-Bahn-Betrieb infolge des Endkampfs um Berlin und der dadurch bedingten Stromausfälle zum Erliegen.

Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches übertrugen die alliierten Siegerstaaten den Eisenbahn-Betrieb und damit auch die Berliner S-Bahn an die Deutsche Reichsbahn (DR) in der sowjetischen Besatzungszone. Schnell wurde das für die Großstadt lebensnotwendige Verkehrsmittel von den Kriegsschäden befreit und 1947 war fast das gesamte Netz wieder befahrbar.

Der Abstieg beginnt

Schon die politische Teilung der Stadt 1948/49, spätestens aber der Bau der Berliner Mauer 1961 leiteten den Niedergang des einst weltweit modernsten Verkehrssystems auf West-Berliner Gebiet ein. Auch hier blieb die DR als Staatsbetrieb der DDR für die S-Bahn zuständig. Die Berliner S-Bahn wurde zu einer politischen Angelegenheit.
Netzplan der Berliner S-Bahn-Strecken, Deutsche Reichsbahn (DR), 1970 (Sammlung Fons Brasser). Der in Ost-Berlin gedruckte Plan zeigt den Umriss West-Berlins (im DDR-Sprachgebrauch „Westberlin“) als Staatsgrenze. Der Umriss Ost-Berlins ist mit „Berlin – Hauptstadt der DDR“ bezeichnet. Verbindungen zwischen Ost und West sind an dieser Linie 1961 gekappt worden. Die Ringbahn ist im Osten zur Nord-Süd-Verbindung zwischen Bernau und Königs Wusterhausen umgebaut worden.
© & Repro: Stadtmuseum Berlin

Busse statt S-Bahn

Um die West-Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) dabei zu unterstützen, den wegen des Boykotts gestiegenen Personenverkehr zu bewältigen, stellten westdeutsche Großstädte solidarisch Autobusse zur Verfügung. So schrieb der Pressebilderdienst Kindermann zu dem nebenstehenden Bild:

„Zur Unterstützung der vom Westberliner S-Bahn-Boykott überbeanspruchten BVG-Linien trafen Omnibusse aus Westdeutschland ein und nehmen ihren Westberliner Kollegen einen Teil der Fahrgäste ab. Als Solidaritätserklärung aufgrund eines Aufrufes der ÖTV-Gewerkschaft, werden im Laufe dieser Woche noch Busse aus anderen Städten Westdeutschlands in Berlin eintreffen, die auf unbegrenzte Zeit hier stationiert sein werden und den normalen Liniendienst fahren werden. Die 19-Linie auf der Tauentzienstrasse befährt u. a. jetzt auch ein Omnibus aus Hamburg.“
Verstärkung aus dem Bundesgebiet für die überlastete BVG, 6. September 1961.
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Pressebilderdienst Kindermann

Zudem hatte die BVG schon vorher Buslinien eingerichtet, die in direkter Konkurrenz zur S-Bahn parallel zu deren Strecken fuhren. So gab es ab 1958 die Linie A65. Für sie wurden auf der neu gebauten Stadtautobahn (heute A 100) Haltestellen eingerichtet, die – längst stillgelegt – immer noch erkennbar sind.

Die Fahrgastzahlen der S-Bahn fielen in kurzer Zeit um 90 Prozent, und ihr Betrieb wurde für die DR mit geschätzten Verlusten von ca. 130 Millionen D-Mark jährlich unwirtschaftlich. Das Staatsunternehmen gewährleistete auch weiterhin die Sicherheit des Fahrbetriebs, doch die Leistungen wurden eingeschränkt. So begann zum Beispiel der tägliche Bahnbetrieb später, endete früher und die Züge fuhren seltener. Insbesondere in die Bahnhöfe wurde nicht mehr investiert und so verwahrlosten sie zunehmend.
Stadtautobahn neben der S-Bahn-Trasse in Charlottenburg, 16. Februar 1971
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Rolf Goetze
Der Streik der West-Berliner Reichsbahn-Beschäftigten im Jahr 1980 brachte schließlich für die Hälfte der 78 unwirtschaftlich gewordenen West-Berliner S-Bahnhöfe das Aus. Von den im westlichen Teil der Stadt liegenden 145 Kilometern S-Bahn-Strecke nahm die Deutsche Reichsbahn 70 Kilometer aus dem Fahrgastbetrieb. Der Anteil der S-Bahn am öffentlichen Nahverkehr West-Berlins sank unter 5 Prozent. Erst 1984 übernahm die BVG von der DR das Nutzungsrecht an den West-Berliner S-Bahn-Strecken und begann mit deren Renovierung. Einige Strecken blieben jedoch stillgelegt.
Stillgelegter S-Bahnhof Pichelsberg, 13. Juli 1983
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Fons Brasser (Ausschnitt)

Redaktionelle Bearbeitung: Heiko Noack

Stillgelegt

Fotografien von Fons Brasser

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© Stadtmuseum Berlin | Foto: Christian Kielmann

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